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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.02.2001
Aktenzeichen: 15 W 390/00
Rechtsgebiete: GmbHG, EGV


Vorschriften:

GmbHG § 60
EGV Art. 43
EGV Art. 48
Leitsatz:

Auch nach der Centros-Entscheidung des EuGH vom 09.03.1999 (NJW 1999, 2027) bleibt es dabei, daß die Sitzverlegunq einer in Deutschland gegründeten GmbH nach England zur Auflösung der Gesellschaft führt und deshalb im Handelsregister nicht eingetragen werden kann.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 390/00 OLG Hamm 15 T 4/00 LG Bochum HRB 2536 AG Recklinghausen

In der Handelsregistersache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 01. Februar 2001 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 18. Oktober 2000 gegen den Beschluß der 15. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum vom 26. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Christ

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die betroffene Gesellschaft ist seit dem 30.05.1990 mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM im Handelsregister des Amtsgerichts Recklinghausen eingetragen. Geschäftsführer ist seit dem 26.04.1999 Herr M der mit notariellem Vertrag vom 27.04.2000 darüber hinaus den Geschäftsanteil des bisherigen Alleingesellschafters erworben hat. In derselben Urkunde ist § 1 des Gesellschaftsvertrages dahin geändert worden, daß als Sitz der Gesellschaft nunmehr B in England bestimmt worden ist.

In notariell beglaubigter Erklärung ebenfalls vom 27.04.2000 hat der Geschäftsführer die Sitzverlegung der Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister angemeldet. Diese Anmeldung hat der Richter des Amtsgerichts durch Beschluß vom 17.07.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß hat die Gesellschaft mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 30.08.2000 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht - Kammer für Handelssachen - durch Beschluß vom 26.09.2000 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der betroffenen Gesellschaft, die sie mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 18.10.2000 bei dem Landgericht eingelegt hat.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Beschwerdebefugt ist die betroffene Gesellschaft selbst, da die Anmeldung eine Satzungsänderung zum Gegenstand hat (BGHZ 105, 326 = NJW 1989, 295).

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

Der Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 27.04.2000 ist darauf gerichtet, den Sitz der Gesellschaft nach England zu verlegen. Der Beschluß umfaßt damit inhaltlich sowohl eine Verlegung des statutarischen als auch des effektiven Verwaltungssitzes der Gesellschaft. Aufgrund der in dem Gesellschafterbeschluß angegebenen neuen Geschäftsadresse in England ist davon auszugehen, daß die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich von dort aus weitergeführt werden sollen.

Die Verlegung des Sitzes einer im Inland gegründeten Gesellschaft mit beschränkten Haftung führt nach deutschem Rechtregelmäßig zur ihrer Auflösung; die Sitzverlegung kann demzufolge nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Diese Rechtsfolge ist das Ergebnis der in der Rechtsprechung einheitlich, in der Literatur überwiegend vertretenen Sitztheorie. Danach bestimmt sich das Personalstatut einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nach ihrem effektiven Verwaltungssitz (BGHZ 53, 181, = NJW 1970, 998; 97, 269 = NJW 1986, 2194; BayObLGZ 1985, 272 = IPRax 1886, 161; 1992, 113 = NJW-RR 1993, 43; FGPrax 1998, 232; OLG Frankfurt NJW 1990, 2204 jeweils m.w.N.). Dieser Sitztheorie hat sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (FGPrax 1995, 5 = NJW-RR 1995, 469; NJW-RR 1998, 615 = IPrax 1998, 363). In seinem zuletzt genannten Beschluß vom 30.04.1997 hat der Senat die Eintragung der Verlegung des Sitzes einer in Deutschland gegründeten GmbH nach Luxemburg abgelehnt.

Die Verlegung des statutarischen und des effektiven Sitzes der Gesellschaft führt zu einer Änderung ihres Personalstatuts. Zwar wäre allein die Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes der Gesellschaft nach England für den Fortbestand ihres Personalstatus unschädlich. Denn im englischen Internationalen Privatrecht wird das Personalstatut der Gesellschaft nach der Gründungstheorie beurteilt, also nach dem bei der Gründung bestimmten statutarischen Sitz der Gesellschaft. Dies führt zu einer nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu beachtenden Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht (Ebenroth/Auer, DNotZ 1993 190, 1993; MK/BGB-Kindler, 3. Aufl., Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 391). Anders verhält es sich hingegen, wenn auch der statutarische Sitz der Gesellschaft in einen Staat verlegt wird, der der Gründungstheorie folgt. In einem solchen Fall ist die Gesellschaft auch von Standpunkt der Gründungstheorie nicht anerkennungfähig, weil die Gesellschaft nicht nach dem Recht ihres (geänderten) statutarischen Sitzes gegründet worden ist (Ebenroth/Auer, a.a.O.; MK/BGB-Kindler, a.a.O., Rdnr. 400; Behrens IPrax 2000, 323, 330; im Ergebnis ebenso BayObLGZ 1992, 113 für den Fall einer Sitzverlegung nach England). Nach deutschem Recht führt der Wechsel des Personalstatus zwingend zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft. Weder eine Satzungsbestimmung noch ein entgegenstehen der Wille der Gesellschafter können dies verhindern (BGHZ 25, 134, 144; BayObLG, a.a.O.).

Diesem Ergebnis steht entgegen dem Standpunkt der weiteren Beschwerde das Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegen. In seinem bereits herangezogenen Beschluß vom 30.04.1997 hat der Senat entschieden, daß die Anwendung der Sitztheorie im deutschen internationalen Privatrecht nicht durch die Niederlassungsfreiheit nach den Art. 43 und 48 EGV (früher Art. 52 und 58) berührt wird. Dies hat der Senat näher begründet unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH, der in seiner Entscheidung vom 27.09.1998 (NJW 1989, 2186 = IPrax 1989, 381 - Daily Mail) ausgeführt hat, daß die Art 52, 58 EGV den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Wahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat insoweit auf seinen genannten Beschluß Bezug (in der Beurteilung übereinstimmend BayObLG FGPrax 1998, 232).

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde auch nicht aus der späteren Entscheidung des EuGH vom 09.03.1999 (NJW 1999, 2027 -Centros). Die dieser Entscheidung zugrundeliegende Vorlagefrage betrifft nach dem wiedergegebenen Sachverhalt lediglich die Zulässigkeit der Errichtung einer Zweigniederlassung durch eine nach der Gründungstheorie (in England) rechtmäßig errichtete Gesellschaft in einem anderen (ebenfalls der Gründungstheorie folgenden) Mitgliedsstaat (Dänemark), wenn die Zweigniederlassung es der Gesellschaft ermöglichen soll, ihre gesamte Geschäftstätigkeit in dem Staat auszuüben, in dem diese Zweigniederlassung errichtet wird. Nach dem ihr zugrundeliegenden Sachverhalt bezieht sich diese Entscheidung zunächst nur auf die sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit, also das Recht einer Gesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft geschäftlich tätig werden zu können (vgl. Hammen WM 1999, 2487, 2490). Inwieweit aus dieser Entscheidung des EuGH mittelbar auch Schlüsse für die Beurteilung der primären Niederlassungsfreiheit gezogen werden können (Kieninger ZGR 1999, 724,745 f.; Freitag, EuZW 1999, 257, 269), mag zweifelhaft sein. So hat der BGH am 20.03.2000 einen weiteren Vorlagebeschluß gem. Art. 234 (früher Art. 177) EGV an den EuGH gerichtet, der die Frage betrifft, ob eine in einem Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft Anspruch auf Anerkennung ihrer Rechts- und Parteifähigkeit nach Verlegung ihres effektiven Verwaltungssitzes in das Inland hat (DB 2000, 1114 ff.). Der Senat sieht aus anderem Grund keinen Anlaß, die Entscheidung des EuGH über diesen Vorlagebeschluß abzuwarten oder selbst in der vorliegenden Sache einen Vorlagebeschluß gem. Art. 234 EGV an den EuGH zu richten. Maßgebend dafür ist, daß sich aus der Entscheidung des EuGH vom 09.03.1999 keinerlei tragfähigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dieser habe die Grundsätze der früheren Entscheidung in der Sache Daily Mail für die Beurteilung der Gemeinschaftsrechtskonformität nationalen Rechts in Bezug auf den Wegzug einer im Inland gegründeten Gesellschaft aufgeben wollen. Dies muß bereits daraus abgeleitet werden, daß der EuGH seine Entscheidung in der Sache Daily Mail in seiner späteren Entscheidung vom 09.03.1999 nicht verarbeitet noch auch nur erwähnt hat. Die Bezüge zwischen der Niederlassungsfreiheit und der international-privatrechtlichen Beurteilung des Gesellschaftsstatuts in den einzelnen Mitgliedstaaten sind in der Entscheidung vom 09.03.1999 nicht behandelt. Jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall der Sitzverlegung einer im Inland gegründeten Gesellschaft ins Ausland muß es deshalb bei der Anwendung der Grundsätze verbleiben, die sich aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts aus der Entscheidung des EuGH in der Sache Daily Mail ergeben (ebenso Forsthoff DB 2000, 1109, 1111; Kindler NJW 1999, 1993, 1998; Görk, GmbHR 2000, 793, 797; Hammen, WM 2487, 2490; Behrens, IPrax 2000, 323" 329 f.; Göttsche, DStR 2000, 1403, 1405 f.; Lange, DNotZ 1999, 599, 607).

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde folgt aus den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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